Stefan Birk
Anders als üblich wird es in der heutigen Buchbesprechung mal persönlich. Damit soll nicht etwa der lockere und eingängige Stil von Lars Vollmer imitiert werden. Nein, der Grund liegt darin, dass ich wirklich schmerzlich beleidigt bin.
Warum? Na ja, das wird jeder verstehen, der das Buch liest und meinen beruflichen Werdegang kennt:
- Dissertation über Reportingsysteme in Konzernen
- Mitarbeiter in einer Konzernleitung und damit Verursacher unzähliger Meetings und Konferenzen
- Berater im Bereich Organisationsentwicklung mit (sau)teuren Change Management Methoden
- zuletzt in einem Start-up verantwortlich für die Einführung von Managementtools wie z.B. Wirtschaftsplanung oder HR-Prozessen (Jahresgespräche, etc.)
Ich glaube, ich habe so ziemlich alles gemacht, was Lars Vollmer in seinem Buch als „Theater“ oder (in Anlehnung an das Modell von Toyota) als „vierte Art der Verschwendung“ ansieht. Und das ist dann auch die Kernthese seines Buches: In Zeiten, in denen die Umwelt sich so dynamisch und komplex zeigt, verkommen die Methoden der Unternehmensführung zu reinem Theater, weil sie von der eigentlichen Wertschöpfung ablenken bzw. diese verhindern.
Ich bin also ein Protagonist des Theaterspielers, der sich und andere von der wertschöpfenden, dem Kunden (und nur dem Kunden) zugewandten echten Arbeit abhält. Nun, das habe ich in der einen oder anderen Form die letzten 25 Jahre schon sehr, sehr oft gehört. Jeder Leidensgenosse meiner Profession kennt das und ignoriert es irgendwann nicht einmal mehr. Ich müsste Lars Vollmer also eigentlich mindestens widersprechen.
Das Schlimme ist nur, er hat ja recht. Es hat sich ja wirklich etwas verändert. Es gab früher schon, aber heute noch mehr gute Gründe den allgemein akzeptierten Kanon des Managements in Frage zu stellen. Diese Gründe nennt Lars Vollmer in gut lesbarer und klarer Form. Da merkt man, dass hier einer in der Praxis viel gelitten hat. Und das macht das Buch so relevant, auch wenn hier nicht auf hunderten von Seiten wissenschaftlich nachgewiesen wird, dass die Organisations- und Managementtheorie umgeschrieben werden muss (das muss auch mal eine/r machen, aber das ist ein anderes Thema).
Können Sie also meinen Schmerz ein bisschen verstehen? Ja? Sie verstehen aber hoffentlich auch, dass ich das Buch trotzdem empfehle und ihm viele Leser wie mich wünsche.
Ach so, eines muss unbedingt noch hinzugefügt werden: Nachdem Lars Vollmer die Managementtechnokraten wie mich (zu Recht) erledigt hat, legt er sich - ganz im Sinne eines „Viel Feind, viel Ehr!“ - auch noch mit deren Antagonisten an: der „New Work Bewegung“. Laut Vollmer ist es nämlich auch keine Lösung, ins andere Extrem zu fallen und nun die Wohlfühlorganisation zu proklamieren. Auch eine solche Betrachtungsweise ist einseitig und führt im Extremfall nur zu einem neuen, moralisch korrekten Methodenkanon, der auf seine Weise ebenso wenig erfolgreich ist wie das sture Festhalten an der Managementlehre des 20. Jahrhunderts. Nein, er hat Recht, wenn er sich bei der Organisation von Arbeit für Kundenorientierung, gesunden Menschenverstand, individuelle Lösungen und Methodenvielfalt einsetzt. Da hat er meine volle Zustimmung. Nicht zustimmen kann ich dagegen seiner These, dass man Arbeit bzw. Arbeitsorganisationen eigentlich grundsätzlich nicht gestalten kann. So schnell lässt sich ein Managementgläubiger wie ich dann doch nicht entmutigen. Aber das ist wieder ein anderes Thema.