Stefan Birk
Wer sich mit dem Thema „Arbeit der Zukunft“ beschäftigt, wird zunächst einmal überrascht sein von der Anzahl der einschlägigen Beiträge. Auch beschäftigen sich mehr und mehr Unternehmen mit den Trends der Arbeitswelt von morgen. Gerade Unternehmensberatungen und Technologie-Unternehmen interessieren sich offenkundig immer mehr dafür, wie wir in Zukunft arbeiten werden. So auch die Microsoft Deutschland GmbH, die 2014 ein „Manifest für ein Neues Arbeiten“ veröffentlicht und in diesem Jahr das Buch „Out of Office – Warum wir die Arbeit verändern müssen“ im Redline-Verlag auf den Markt gebracht haben.
Das Institut für Arbeitsdesign und Zukunftstechnologien e.V. hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Fülle von Beiträgen zu systematisieren und auszuwerten. Hierzu wurde eine Studie aufgelegt, die im Rahmen einer Stichprobe 171
Quellen ausgewertet hat.
Arbeitswelt wird sich grundlegend ändern
Praktisch alle Autoren vertreten die These, dass sich die Arbeitswelt in den nächsten Jahren basierend auf den dargestellten Trends massiv verändern wird. In keiner der Quellen wird eine fundamental-kritische Stimme an dieser These laut. Mit anderen Worten, niemand geht davon aus, dass die aktuellen technischen und gesellschaftlichen Veränderungen ohne Auswirkung auf die Arbeitswelt bleiben werden.
Motive der Autoren
Die Beschäftigung mit dem Thema „Arbeit der Zukunft“ ist sehr stark von Analyse und Problemdefinition dominiert. Handlungsempfehlungen kommen zwar immer wieder vor, sind allerdings in weniger als 20% der Veröffentlichungen explizit thematisiert. Die Stichprobe zeigt damit, was in der Diskussion um die Arbeit der Zukunft vielfach vermutet wird: es fehlt nicht an Erkenntnissen über Trends und zukünftige Szenarien, sondern weit mehr an pragmatischen Modellen und Handlungsempfehlungen für die Akteure in der Praxis.
Fokusthemen
Die klar überwiegende Anzahl der untersuchten Quellen befasst sich mit den Arbeitsprozessen und -technologien (77%). Dahinter lagen Themen wie Arbeitsort (67 %), Arbeitsorganisation (57 %) oder Arbeitszeit (53%). Die wenigsten Texte beschäftigten sich mit der Arbeitsethik und -kultur (22 %) und den Arbeitsinhalten (14 %). Interessant ist das Ergebnis bezüglich des Fokusthemas Arbeitskultur bzw. Arbeitsethik. Es hat sich innerhalb der Wissenschaft besonders in den letzten Jahren ein (verglichen mit der Praxis) sehr viel höheres Interesse an Fragen hierzu entwickelt. Fast jede dritte Veröffentlichung aus der Wissenschaft beschäftigt sich mit dem Thema, während es in Unternehmenspraxis und Öffentlichkeit nicht einmal jede fünfte ist. Geht man davon aus, dass Fragestellungen und Lösungsansätze oft in der Wissenschaft generiert werden, um dann ihren Weg in Unternehmen und Öffentlichkeit zu finden, ist zu erwarten, dass das Fokusthema Arbeitskultur in den nächsten Jahren auch in der Praxis immer relevanter wird.
Kanon von Trends
Es fällt auf, dass in aller Regel gleiche oder ähnliche Trends zur Sprache kommen. Mit anderen Worten: es besteht offenkundig Einigkeit über einen „Kanon“ von Trends, der in verschiedensten Varianten wiederholt wird. Dabei beherrschen vier Megatrends und acht spezifischere, hier als „Trends der Arbeitswelt“ bezeichnete Trends die Diskussion.
Der klar relevanteste Megatrend ist die Digitalisierung: In fast 75% der untersuchten Quellen wird dieser Trend thematisiert. Erstaunlicherweise wird der Wertewandel nur in ca. 25% der Fälle erwähnt, obwohl dieser Megatrend auf eine ähnlich vielschichtige Weise wirkt. Auch die beiden anderen Megatrends – Globalisierung und Demografischer Wandel - werden mit etwa einem Drittel der Quellen nicht annähernd so oft erwähnt wie die Digitalisierung.
Die der Studie zugrundeliegenden Veröffentlichungen enthalten auch Aussagen über spezifischere „Trends der Arbeitswelt“:
Mobilität |
Büro der Zukunft; "Überall-Arbeiten“ / Third Places; Co-Working; Home Office; Flexible Arbeitszeiten / Arbeitszeitmodelle |
Entgrenzung |
Work-Life-Balance; Verdichtung der Arbeit; Beschleunigung |
Neue Technologien |
Künstliche Intelligenz; Digitale Assistenten; Augmented Reality; Robotik |
Wandel der Organisations-modelle |
Netzwerkstrukturen; Virtuelle Organisation; Outsourcing / Crowdsourcing; Projektorganisation; Organisationsgrenzen: Freiberufler, Temporäre Arbeitskräfte |
Neues Management |
Demokratisierung des Managements; Agile Management; Leadership |
Wandel der Arbeitsinhalte |
Anspruchsvollere Arbeitsinhalte; Informationsflut; Verlust des Expertentums; Kreativer Arbeiter |
Sinnhafte Arbeit |
Autonomie; Employability; Innere Kündigung |
Neue Unternehmenskultur |
Neue Unternehmensziele; Cultural Change, Wandel der Arbeitskultur |
An der Spitze des Interesses mit 70% der Nennungen steht der Trend zu (zeitlicher und örtlicher) Mobilität der Arbeit. Die zweit- und die dritthöchste prozentuale Nennung erfahren Trends, die in engem Zusammenhang mit der organisatorischen Struktur der Institutionen stehen – einerseits der „Wandel der Organisationsmodelle“ (51%) und andererseits die Thematik „Neues Management“ (26%). Auf den Trend zur „Entgrenzung der Arbeit“ wird in immerhin einem guten Viertel der Quellen (26%) explizit verwiesen. Verglichen mit den oben genannten sind etwas weichere Faktoren wie die Trends hinsichtlich „Sinnhafter Arbeit“ (14%) und „Neuer Unternehmenskultur“ (13%) aber auch Aussagen zu Veränderungen bei den tatsächlichen Arbeitsinhalten (12%) deutlich unterrepräsentiert
Interessant sind hier die Unterschiede je nach Herkunft der Quelle. Über 80% der Quellen, die eher journalistischer Natur sind, beschäftigen sich mit dem Trend der „Räumlichen Mobilität“. Unseres Erachtens liegt die Erklärung hierfür auf der Hand: Bilder von futuristischen Bürohäusern oder Schlagwörter wie „Überall-Büro“ und „Co-Working“ finden naturgemäß ein breiteres öffentliches Interesse.
In den Wissenschaften besteht das höchste Interesse an struktur-organisatorischen Themen: fast 60% der Quellen beschäftigen sich mit dem Wandel der Organisationsmodelle. Universitätsquellen zeigen auch ein deutlich höheres Interesse für das Phänomen der Entgrenzung der Arbeit. Deutlich über ein Drittel der wissenschaftlichen Veröffentlichungen widmen sich diesem Trend.
Am wenigsten Bewusstsein zum Thema Entgrenzung existiert in der Unternehmenspraxis. So gehen nicht einmal 10% der Quellen aus der Industrie darauf ein. Dies verwundert um so mehr als gerade in der industriellen Unternehmenspraxis Themen wie „Work-Life-Balance“ eine immer größere Rolle spielen. Das meiste Interesse findet bei den Unternehmen ebenfalls das Thema Mobilität. Dies gilt insbesondere bei Unternehmen der IT-Branche. Der Grund könnte sein, dass man sich umfangreiches Geschäft im Bereich mobiler IT-Lösungen erwartet – aktuell z.B. unter dem Stichwort „Digital Workplace“ diskutiert (und forciert).
Utopie oder Dystopie?
Die Quellen wurden auch nach dem Gesichtspunkt ausgewertet, inwieweit die Aussichten für den kreativen (Wissens-)Arbeiter nun positiv (utopisch) oder negativ (dystopisch) eingeschätzt werden. Sieht man von den ambivalenten Quellen (29%) ab, stellt sich heraus, dass mit rund 42% der Stimmen eine Mehrheit auf zukünftige Verbesserungen der Situation setzt. Nur 29% der Veröffentlichungen positionieren sich klar negativ. Interessant sind hier regionale Unterschiede. Für Europa lässt sich sagen, dass 38% positiv in die Zukunft blicken. Jeweils 31% sehen die Zukunft ambivalent oder negativ. Der Rest der Welt blickt im Gegensatz zum verhalten utopischen Europa positiv in die Zukunft: 54% sind optimistisch, knapp ein Viertel sieht die Zukunft ambivalent und nur 20% befürchten eine dystopische Zukunft.
Die Studie sollte helfen, die aktuelle Diskussion zu systematisieren. Darüber hinaus ist sie Startpunkt für weitere empirische Untersuchungen zu einzelnen Trends. In einer Arbeitswelt im Umbruch ist darüber hinaus die Frage relevant, welche Fähigkeiten Mitarbeiter und Organisationen erwerben müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Zu diesen Fragen und den oben geschilderten Entwicklungen fehlen oftmals pragmatische Ansätze, um angemessen zu reagieren und neue Ideen sinnvoll im Arbeitsalltag der Unternehmen umzusetzen.