Veronika Schubring
Teresa Trabert
(Interview : Stefan Birk)
Welche Fähigkeiten und Eigenschaften muss der Wissensarbeiter der Zukunft haben? Diese Frage haben wir inzwischen einer ganzen Reihe von unterschiedlichsten Experten und Unternehmenspraktikern gestellt. Im folgenden Interview haben wir zwei Frauen befragt, die sich in vielfältigen innovativen Projekten u.a. der Kreativwirtschaft in MV verdient gemacht haben.
Teresa Trabert ist eine weitgereiste Eventmanagerin mit einem Bachelor in International Business, die in Freiburg, Berlin, Boston und San Diego gelebt und studiert hat. Seit 2013 lebt sie in Rostock und engagiert sich als Vorstandsmitglied des Kreativsaison e.V. und als Kommunikations-Managerin im Kreativquartier Warnow-Valley für die Stärkung der Kultur- und Kreativwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Als Mitinitiatorin des landesweiten Netzwerks Kreative MV und des Rostocker Co-Works projekt:raum hat sie ein breites kreatives Netzwerk mit aufgebaut. Soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit sind für Teresa Trabert in der Umsetzung all ihrer Projekte von großer Bedeutung.
Veronika Schubring ist unter dem Leitbild „Gemeinsam Wandel gestalten“ seit 4 Jahren selbstständige Moderatorin, Prozessbegleiterin und Organisationsberaterin. Ihre Schwerpunkte liegen dabei (1) auf kreativen Workshops und Gruppenmoderationen zur Problemlösung, vornehmlich unter der Anwendung des Design Thinking, (2) auf der Entwicklung innovationsfähiger Arbeitskulturen in Unternehmen und Institutionen, sowie (3) auf Veränderungsprozessen hin zu nachhaltigem und sozialverantwortlichem Wirtschaften. Begleitend zu ihrem Master in Public Policy hat sie in Rostock projekt:raum mit gegründet, ein Ort für kreatives Arbeiten inmitten des Kreativwirtschafts-Clusters Warnow Valley am Warnowufer in Rostock.
projekt:raum ist ein Co-Work-Space direkt im Kultur- und Kreativquartier Warnow Valley am Rostocker Stadthafen. Auf 190 m² teilen und gestalten Freiberufliche, Gründende, Vereine, Kreative und Kunstschaffende feste und flexible Arbeitsplätze, einen Gemeinschaftsraum, Seminarraum, Küche, Bibliothek, Atelier, Studio, Labor und eine offene Werkstatt.
Welche Fähigkeiten sehen Sie in Unternehmen / Organisationen der Zukunft als besonders relevant an?
Heute kann es nicht mehr allein um das „Was?“ – also das Sachwissen - gehen. Viel wichtiger sind in Zukunft das „Wie?“ und das „Warum?“. Mit anderen Worten: Die klassischen Fähigkeiten auf Sachebene müssen um Fähigkeiten ergänzt werden, die eher mit dem Prozess und dem Sinn des Ganzen zu tun haben.
Zum Beispiel ist es ja schon heute kein Problem mehr, das Sachwissen zu praktisch jedem Thema jederzeit abzurufen. Heute und in Zukunft geht es aber eher um die Themen „Auswählen, Verknüpfen und Bereitstellen von Wissen“ für Problemlösungen in der realen Welt. Dieses „Auswählen, Verknüpfen und Bereitstellen“ findet im sozialen Umfeld statt. Das macht insbesondere soziale Fähigkeiten besonders relevant. Und natürlich ist ein Verständnis dafür, welche Werte unterschiedliche Individuen (aber auch Organisationen) besitzen, wichtig für jeden Problemlösungsansatz. Nur wer in der Lage ist, den sozialen Prozess und die verschiedenen Sinnzusammenhänge zu verstehen, ist in der komplexen Welt von morgen fähig, Probleme tatsächlich zu lösen.
Wichtig aus unserer Sicht ist auch die Fähigkeit im Umgang mit sich selbst. In einer Arbeitswelt, die zunehmend aus selbständig arbeitenden Menschen besteht, ist das von hoher Relevanz. Aber man sollte auch nicht vergessen, dass Fähigkeiten wie „Selbstmanagement“ oder auch „Selbststeuerung“ durchaus ihre Kehrseiten haben. Im Künstlerischen Bereich kann dies sogar zum Kreativitätskiller werden.
Welches sind die wesentlichen Felder, auf die die Organisationen in der innerbetrieblichen Ausbildung fokussieren sollten?
Es sind aus unserer Sicht im Wesentlichen drei Felder, auf denen Unternehmen, aber auch andere Organisationen bei Ihren Fortbildungsprogrammen Wert legen sollten:
- Kommunikation: Man sollte nie aufhören, das Kommunizieren zu lernen. In einer vernetzten Welt kann man das gar nicht oft genug trainieren. Und natürlich ganz wesentlich: immer Reflektieren, was in der Kommunikation schief läuft.
- Fachübergreifendes Lernen: Probleme werden in Zukunft ohne fachübergreifendes Wissen noch weniger handhabbar sein als heute. Nur wer so früh wie möglich in unterschiedlichen Kontexten denken kann bzw. andere verstehen lernt, ist gut für die Zukunft gerüstet.
- Learning-by-Doing: In der innerbetrieblichen „Fähigkeiten-Entwicklung“ herrscht zu oft das Schema vor, dass mittels Seminaren Wissen vermittelt wird. Aus unserer Sicht ist direkt erlebte Realität und unmittelbare Anwendung wesentlich nachhaltiger.
In diesem Zusammenhang: Wenn man über die Fähigkeiten der Zukunft spricht, kann leicht der Eindruck entstehen, dass die Fähigkeiten, auf die es in Zukunft ankommt, andere klassische Fähigkeiten ersetzen. Das ist aber nicht gemeint. Aus unserer Sicht sollte man die oben genannten Fähigkeiten in Zukunft nur noch stärker in der Ausbildung und „on-the-job“ betonen, da sie oft nicht im ausreichenden Maße entwickelt sind. Die klassischen Fähigkeiten wie fundiertes Sachwissen, aber auch Zuverlässigkeit und dergleichen haben durchaus weiter ihre Berechtigung. Oder mit anderen Worten: Wer wie wir schon einmal mit verschiedenen Künstlern an einem Film gearbeitet hat, weiß dass allein Kreativität nicht zum Erfolg führt.
Was ist ihr persönlicher Rat an die heutigen Schüler und Studenten bzw. die Wissensarbeiter des Jahres 2030 (z.B. die Jahrgänge ab ca. 2000 ff.)?
Unser persönlicher Rat ist: „Kommt in Bewegung!“ Die Fähigkeiten, die man in der Zukunft braucht, sind ja nicht im Hörsaal oder im Studierzimmer erlernbar. Nur durch die tatsächliche Realisierung von Vorhaben, hinter denen man wirklich steht und in denen man tut, was man wirklich will, kann man echte Lernerfolge haben.
Dazu sind insbesondere „Projekte ohne Mittel“ gut geeignet. Dort muss man nämlich einerseits eine sehr gute und überzeugende Idee entwickeln und optimal verkaufen, andererseits aber auch Mitstreiter finden, die Ressourcen bereitstellen. Einen Rahmen, um solche Projekte durchzuführen bieten wir beispielsweise im Rahmen unserer Sommerakademie an.