Warum Coworking gerade in Schwerin?

 

Stefan Birk

 

Was macht Mecklenburg-Vorpommern für Kreativschaffende und „High Potentials“ attraktiv? In Befragungen kommen regelmäßig dieselben Antworten: Lebensqualität, Natur und landschaftliche Schönheit, ein weiter Horizont und: „Raum zur Entfaltung“. Welche Räume sind damit gemeint? Wie muss ein Raum beschaffen sein, um die kreative Fantasie zu beflügeln und die Region voranzubringen? Höchste Zeit, die Raumpotenziale systematisch zu erkunden und kreativ zu erschließen. Kommunen beklagen den „Leerstand“? Nun, vielleicht fehlt nur das richtige Nutzungskonzept?

 

Diese und weitere Fragen stellt sich eine Initiative, die in Vorbereitung der Konferenz „Raumwohlstand_MV_2018“ untersucht, welche innovativen Möglichkeiten für die Raumnutzung in Mecklenburg-Vorpommern möglich sind. Ein Kandidat ist sicherlich das in vielen großen Städten schon vielfach erprobte und immer erfolgreicher umgesetzte „Coworking“.

Die Konferenz „Raumwohlstand“ wird von der Kreative MV – Netzwerk für Kultur- und Kreativwirtschaft Mecklenburg-Vorpommern  im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Gesundheit Mecklenburg-Vorpommern durchgeführt. In Arbeitsgruppen aus kommunalen Vertretern, Wirtschaftsförderern, Unternehmern und Kreativen soll das regionale Potenzial gemeinsam sondiert werden, um die Region attraktiv zu machen und die weitere Entwicklung voranzubringen.

 

Eine innovative Möglichkeit den „Raumwohlstand“ der Region zu nutzen, besteht darin, die (Frei-)Räume mit den Potentialen der Digitalisierung in Verbindung zu bringen. Digital vernetzte, aber „analoge“ lokale Hubs von Kreativschaffenden und jungen Unternehmen können ein Mittel sein, innovative Arbeitsformen zu testen und die Arbeitswelt von morgen schrittweise entstehen zu lassen.

 

Was ist "Coworking"?

In diesem Zusammenhang kommt dem Konzept des „Coworking“ eine herausragende Bedeutung zu. Bei „Coworking Spaces“ handelt es sich um Orte, an denen verschiedene Wissens- und Kreativarbeiter, aber auch Teams von etablierten Firmen und Organisationen professionell (zusammen-)arbeiten. Im Coworking werden nicht nur Arbeitsplätze und Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Viel zentraler ist die Bildung einer Gemeinschaft, die z.B. durch gemeinsame Veranstaltungen, spezielle Services oder auch gemeinsame Kundenprojekte aktiv gestärkt wird. Ziel ist es, dass jeder Einzelne aus den Kontakten und dem verfügbaren Wissen Nutzen für das eigene Geschäft ziehen kann.

 

So wird zum Beispiel für den Kreativ- und Wissensarbeiter neben einem leicht verfügbaren und nicht teuren, temporären Büro- und Kreativraum auch die Gelegenheit zum Wissensaustausch und Nutzen von Synergien z. B. bei der Kundenakquise oder in der Gründungsphase gegeben. Auch für bereits bestehende Unternehmen bietet Coworking interessante Vorteile. Viele Unternehmen nutzen Coworking für besonders teamorientierte, kreative Projekte oder für Teams, die in ihrer angestammten Umgebung/Kultur nicht weiterkommen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit in einem gemischten Coworking Space interessante Startup-Ideen oder potentielle Dienstleister kennenzulernen.

 

Coworking gibt es bereits seit einiger Zeit und an vielen Orten. In Deutschland sollen es knapp 300 Coworking Spaces sein, weltweit rechnet man mit über 7000. Im Allgemeinen lassen sich vier Ansätze bei der Gründung unterscheiden:

 

„Grassroot“-Gründungen

Hier tun sich einige Enthusiasten - oftmals mit gleichen oder ähnlichen Arbeitsgebieten im kreativen Bereich - zusammen, um die anregende Umgebung und die Synergien einer gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeit zu nutzen. Diese Coworking Spaces sind besonders in Großstädten auf der ganzen Welt entstanden. Allerdings gibt es auch in mittleren Städten und sogar in ländlichen Regionen wie z.B. im Fichtelgebirge erfolgreiche Gründungen von klassischem Coworking.

 

„Me Too“-Gründungen

Inspiriert durch die erfolgreichen „Grassroot“-Gründungen versuchen auch viele Technologie- und Gründerzentren sowie Gemeinden/Städte, die sich positive Ausstrahlungseffekte auf die Standortattraktivität versprechen, auf den Zug aufzuspringen. Zum Beispiel bieten Technologiezentren in ihren bestehenden Räumlichkeiten die traditionellen Basisdienstleistungen an und „veredeln“ sie um Konzepte, die an Coworking erinnern. Oftmals sind solche, eher an klassischen Firmen orientierten Angebote aber für die Zielgruppe der kreativen Wissensarbeiter nicht von hoher Attraktivität.

 

Mittlere, professionalisierte Anbieter

Entstanden oft aus einer „Grassroot“-Initiative existieren inzwischen in den großen Städten Deutschlands einige Beispiele für größere Anbieter wie z.B. das Betahaus in Hamburg (auch in Berlin). Hier handelt es sich um etablierte Angebote, die die Anfangsschwierigkeiten bereits weit hinter sich gelassen haben und im Gegensatz zu den allermeisten kleineren „Grasroot“-Coworkings durchaus Profite erwirtschaften dürften.

 

Globale „Space as a Service“ Lösungen

Dass aus der Idee des Coworkings eine global funktionierende und mit hunderten von Millionen Dollar ausgestattete Geschäftsidee für globale Startups kreiert werden kann, zeigen das US-amerikanische Startup wework und die aus Israel stammende Firma mindspace. Aber auch in Deutschland existiert eine ambitionierte Neugründung: rent24. Alle verfügen bereits über eine große Anzahl von bestens ausgestatteten Coworking Offices in einer Reihe von großen Städten. Inwieweit allerdings bei der äußerst flexiblen Vermietung von Büroraum insbesondere an global agierende Technologieunternehmen noch der Ursprungsgedanke des Coworkings zum Tragen kommt, muss an dieser Stelle offen bleiben. Sicher scheint allerdings, dass dieses hoch professionalisierte Angebot auf absehbare Zeit wohl nur für größere Metropolen vorstellbar ist.

 

Die Hoffnung, dass sich in einer mittelgroßen Stadt wie z.B. Schwerin ein solches überregionales Unternehmen oder gar ein globaler Coworking-Anbieter engagiert, wird sich auf absehbare Zeit wohl nicht erfüllen. Wie andere Beispiele zeigen, ist jedoch auch in solchen Städten eine „Grassroot“-Gründung erfolgreich möglich. Hierzu ein Konzept zu entwickeln, potentielle Mitstreiter und Unterstützer zu finden und erste Schritte in Richtung Realisierung zu unternehmen hat sich die Initiative „Coworking in Schwerin“ zur Aufgabe gemacht. Das ifaz – Institut für Arbeitsdesign und Zukunftstechnologien e.V. unterstützt die Initiative und wird Beiträge leisten, um ein individuelles Konzept zu erarbeiten.