Jannik Lindner
Interviewfragen: Stefan Birk
Jannik Lindner ist Mitgründer des Verbraucherportals kaufberater.io und betreibt eine eigene Online Marketing Agentur. Er beschäftigt sich seit einigen Jahren mit dem Thema Digital Work und arbeitet selbst fast ausschließlich mit dezentralen, ortsunabhängigen Teams zusammen.
Digitalisierung und „Arbeit 4.0" ist in aller Munde. Wie schätzen Sie die Trends für die nächsten Jahren ein? Und was bedeutet das für Ihr Geschäft?
Ich denke es ist nicht angebracht, den Trend der Digitalisierung weiterhin inflationär zu verwenden. Jeder redet seit Jahren über Digitalisierung und verwäscht diesen Begriff gleich noch mit Industrie 4.0 und anderen „toll klingenden Worten“. Die Arbeit ändert sich nur dann, wenn sich Organisationen und Unternehmen ändern. Dabei sollten wir aber beachten, dass sich zwar die äußeren Umstände auf dem Markt oder die Strukturen im Unternehmen ändern, nicht aber der eigentliche Sinn eines Unternehmens.
Der Trend zur Arbeit der Zukunft geht eindeutig in die Richtung, dass digitalisierte Prozesse letztlich den Wert für den Kunden erhöhen sollten. Es sollte dem Kunden einfacher gemacht werden, nicht schwerer. Die Digitalisierung bringt nicht nur automatisierte und optimierte Prozesse innerhalb eines Unternehmens mit sich, sondern es werden sich auch ganze Geschäftsbereiche ändern. Mercedes Benz verkauft dann nicht mehr nur ein Auto, sondern Mobilität. Eine Agentur für Online Marketing verkauft dann nicht mehr nur Suchmaschinenoptimierung oder Content Marketing, sondern einen ganzen digitalen Funnel, der zu neuen Kunden führt. Unternehmen sollten also nicht mehr nur das „Mittel zum Zweck“ anbieten können, sondern eine endgültige und zufriedenstellende Lösung für den Kunden.
Es ist schwer, pauschale Aussagen branchenübergreifend zu treffen. Deshalb glaube ich, dass die Unternehmen vor allem ihre Einstellung ändern und sich kontinuierlich weiterentwickeln sollten. Das Thema „Arbeit der Zukunft“ muss ein fester Bestandteil in der Unternehmensstrategie und der Vision sein. Home-Office, flexible Arbeitszeiten, ständige Erreichbarkeit – das alles sind nur kleine Bausteine in einem großen Puzzle.
Entsprechen die Ergebnisse der ifaz-Studie Ihren Erfahrungen und Erwartungen? Welche Fähigkeiten fehlen? Welche Fähigkeiten werden unterschätzt?
Diese Ergebnisse stimmen weitestgehend mit meinen Erfahrungen und Erwartungen überein. Die sozialen Fähigkeiten sind bereits ein essentieller Teil unserer modernen Welt und werden in den Berufsfeldern der Zukunft in ihrer Bedeutung steigen. Durch die Technologie wird mehr und mehr Zeit frei, um sich mit dem Menschen persönlich zu beschäftigen. Dass Sachwissen nicht mehr so relevant sein soll, halte ich nicht für richtig. Gerade das Marketing wird ein immer bedeutenderer Teil für die Unternehmen der Zukunft. Deshalb habe ich auch meinen Schwerpunkt in diesem Gebiet gelegt und helfe anderen Unternehmen und Unternehmern dabei, ihre Marketingstrategie auszuarbeiten. Marketing wird aber auch für einzelne Mitarbeiter immer wichtiger. Nur wer sich selbst gut vermarkten kann, hat in Zukunft Erfolg. Fähigkeiten im Bereich der Digital Literacy halte ich für eine absolute Grundvoraussetzung.
Eine unterschätzter Baustein der Zukunft ist meiner Meinung nach die Fähigkeit, sich selbst zu kennen. Selbstbewusstsein ist eine Kompetenz, die von vielen nicht so wirklich wahrgenommen wird. Der gekonnte Umgang mit der eigenen Psychologie kann einen sehr guten Mitarbeiter von einem mittelmäßigen Mitarbeiter unterscheiden.
Welche Fähigkeiten sehen Sie in Unternehmen als besonders relevant an? Welches sind die wesentlichen Felder, auf die in der innerbetrieblichen Ausbildung fokussiert werden sollte?
Es wird immer wichtiger, als Unternehmen besonders flexibel zu sein. Ich persönlich bin der Ansicht, dass eine gute Positionierung auf dem Markt sowie eine ausgeklügelte Marketingstrategie ebenfalls immer wichtiger werden. In unserer heutigen Welt haben wir das Glück, dass zahlreiche Produkte und Dienstleistungen auf einem sehr guten Niveau sind. Für mich als Konsument macht es kaum einen Unterschied ob ich Produkt Y bei Produzent A oder Produzent B kaufe. Ich weiß ganz genau, dass wenn ich mit der Qualität nicht zufrieden bin, ich es sowieso wieder zurückgeben kann und wenige Tage danach ein neues erhalte. Um als Unternehmen aus der Masse hervorzustechen, muss nicht nur ein Produkt oder eine Dienstleistung verkauft werden, sondern eine Geschichte.
Deshalb ist es besonders wichtig, dass die Unternehmen diese Geschichte nicht nur nach außen verkaufen, sondern auch das innerbetriebliche Umfeld entsprechend anpassen. Es braucht selbstständig arbeitende, kreative Mitarbeiter, die nicht nur nach Schema X agieren. Deshalb sollte der Fokus auch bei der Ausbildung darauf gelegt werden. Tiefgehendes Sachwissen sehe ich als Voraussetzung an. Diesen Ansatz verfolgen wir auch in unserem eigenen Unternehmen.
Welche Fähigkeiten werden in Ihrem Unternehmen heute gefördert? Wie macht man das im Einzelnen?
Da ich persönlich bisher eher in kleineren Unternehmen und Startups aktiv war, kann ich schwer Aussagen über die größeren Firmen treffen. Ich bin ein großer Fan davon, wenn Mitarbeiter sich gegenseitig schulen. Jedes einzelne Teammitglied hat besondere Fähigkeiten oder ein besonderes Wissen, welches die anderen Mitglieder nicht haben. Man kann sich im Unternehmen also beispielsweise jeden Freitag eine Stunde Zeit nehmen, in welcher jede Woche ein anderer Mitarbeiter eine Schulung über ein bestimmtes Thema gibt. Im Anschluss kann eine Diskussion stattfinden. So kann man nicht nur den Zusammenhalt im Team stärken, sondern auch Brainstorming und Weiterbildung geschickt kombinieren. Das Unternehmen stellt dadurch sicher, dass die Wissensgrenzen und das Humankapital der Mitarbeiter stetig erweitert werden.
Was ist ihr persönlicher Rat an die heutigen Schüler und Studenten bzw. die Wissensarbeiter des Jahres 2030?
Für mich gibt es da eigentlich nur einen Rat, den ich für besonders wichtig halte. Die jungen Menschen von heute sollten offen sein für Bildung. Ein ständiger Hunger nach mehr Wissen und noch besseren Fähigkeiten, ganz egal in welchen Gebieten, ist die beste Versicherung für die Zukunft. Es reicht, wenn jeder ein wenig Zeit am Tag für die Fortbildung investiert. Wer heute stehen bleibt und meint, ausgelernt zu haben, der wird verlieren und für die Unternehmen der Zukunft nicht interessant sein. Bildung ist kein Kampf oder keine Sache, die „eben sein muss“, sondern Bildung macht Spaß. Das ist eine Einstellung, die jeder zukünftige Wissensarbeiter unbedingt haben muss.